Wenn die Stille kommt
 

Wenn die Stille kommt, ist sie nicht still.
Sie meldet sich an - leise, aber doch.
Immer wieder muss sie zurück treten.
Etwa vor dem kleinen Sänger, am Kamin da drüben.
„Geh zurück” sagt er zu ihr.
Und er zwitschert ihr so fröhlich entgegen, dass sie tatsächlich weichen muss.

Wenn die Stille kommt, werden die vielen kleinen Tropfen zu einem rauschenden Bach.
„Gru, gru” sagen die Tauben.
Nicht mehr lange, dann werden sie ertrinken, in ihrer dumpfen, grauen Flut.

Wenn die Stille kommt, singt sie ein Lied.
Sie hat keine Melodie, sie hat keinen Rhythmus.
Aber ihr Lied saugt alles auf, wie ein Schwamm das Wasser.

Wenn die Stille kommt, öffnet sie keine Tür.
„Gru, gru” sagen die Tauben.
Aber sie gehören längst ihr, der Stille.

       15. Juni 2013    Wolfgang Hoffmann